88 Crew Opener

Dieser Artikel erschien im Blue Yearbook #19. Gedruckt lesen sich solche Storys immer noch am besten. Alle Yearbooks kannst du ganz bequem im Blue-Shop kaufen >> dort gibt es die 164 Seiten dicke Ausgabe.

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Double Infinity

No respect! Die Softtop-Revoluzzer von 88

9 Uhr morgens, irgendwo in Frankreich. 2 Fuß Slop. Onshore. Du stehst nach einer kalten, schäbigen Session wieder völlig frustriert am Strand und willst dein 5’10 Hypto Krypto am liebsten in den Sand stampfen, so wenige Wellen hast du auf dem Ding erwischt. Surfen kann schon verdammt unbefriedigend sein.

Plötzlich läuft ein junger, langhaariger Kerl mit einem Softtop an dir vorbei, schmeißt sich ohne Leash in den Shorebreak und surft eine Welle nach der nächsten. Dass das keine gewöhnliche Session ist, deren Zeuge du dort wirst, wird dir schnell klar, denn der Typ pfeift auf etablierte Regeln: Mal surft er eine Welle auf dem Bauch und zieht dabei in eine fette Close-Out-Tube, mal liegt er auf dem Rücken mit beiden Füßen zur Nose gerichtet, mal kniet er auf dem Brett während sein hinterer Arm träge in der Welle hängt.

Bisweilen verliert er bei diesen Eskapaden sein Brett und muss zum Strand zurückschwimmen, doch das stört ihn wenig, und sein breites Grinsen verrät dir, dass er dort draußen garantiert mehr Spaß hat als du.

Moment mal! Jetzt sträubt sich vielleicht was in dir, denn der Typ surft schließlich auf einem Softtop und bisweilen wie ein Kook mit einem Knie auf dem Brett - vom sitzenden und liegenden Surfen ganz zu schweigen!

88 Crew Spread 02

Wer diesen Gedankengang auch nur ansatzweise verfolgt hat - und wenn ich ehrlich bin, ging es mir beim ersten Anblick der Bilder genauso -, der enttarnt sich als Opfer seiner Vorurteile und der Definition, was jetzt bitte genau „richtiges Surfen” ausmacht. Denn entgegen aller Besserwisser ist der beste Surfer im Wasser nicht der krasseste Ripper, sondern derjenige, der am meisten Spaß hat.

Du surfst nicht, um deine Freunde mit geilen Indo-Instashots zu beeindrucken, sondern ausschließlich, weil es dein Ding ist, dich kickt und happy macht.

Und Happiness haben sich Jack Coleman und Harry Henderson, die Pioniere der Softtop-Revolution, auf ihre Flagge geschrieben. „Wir wollten den Spaß wieder in die Wellen holen, um vor allen an Tagen surfen zu können, an denen du mit dem Short- und selbst dem Longboard nicht viel holst,” erklärt mir Jack Coleman, der aus Laguna Beach stammende Kalifornier. „Es geht uns nicht so sehr um Performance, denn um ehrlich zu sein, ist ein Softtop nicht mehr als ein weiches Schaumbrett. Wir verfolgen im Wasser einen eher horizontalen als vertikalen Ansatz. Du musst nicht jede Welle im Stehen surfen. Wir wollen einfach nur Spaß haben!”

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Dass die Jungs sich nicht um konventionelle Erwartungen scheren ist klar, aber dass ihr radikaler Ansatz nicht nur enormen Spaß bringt, sondern auch die äußeren Grenzen des Performance-Surfens pusht, zeigt die Crew von 88 Surfboards, dem Label, das Jack Coleman 2017 mit seinem australischen Kumpel Harry Henderson gegründet hat. Harry ist in der Finnless-Szene von Byron Bay aufgewachsen und hat früh von Free-Friction-Gurus wie der Surf-Legende Derek Hynd gelernt, auf Finnen zu verzichten.

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Die Softtops von 88, die Harry seit ein paar Jahren produziert, helfen ihm und seiner Crew, in den langen Pointbreaks von Byron komplett neue Linien zu ziehen. Ob mit oder ohne Finnen, die Jungs sliden mal horizontal, mal vertikal die Wellen auf und ab, drehen sich ohne Finnen fantastisch schnell im Kreis und erreichen somit neue, freiheitlichere Perspektiven, die an den ursprünglichen, rebellischen Spirit des Surfen erinnern

„We wanted to push the idea of riding with no fins, no friction, more freedom and speed,” erklärt mir Harry im Gespräch, und sein Ansatz passt gut zum Motto von 88 Surfboards: „Lie / Kneel / Sit / Stand.”

Doch bei aller Liebe wissen Jack Coleman und Harry Henderson genau, dass ihre Softtops nicht deinen geliebten Quiver ersetzen werden. Vielmehr geht es darum, immer dann surfen gehen zu können, wenn du dir selber eingeredet hast, dass es sich nicht lohnt. „Mit dem Softtop hast du in fast allen Bedingungen Spaß,” meint Jack, „und wenn du damit an einem beliebten Spot rauspaddelst, kannst du an den Crowds vorbei zur End-Section paddeln und einen Haufen Restwellen abfangen, die sonst ungesurft geblieben wären.”

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Am Ende geht es wohl vor allem darum, so oft wie möglich ins Wasser zu kommen und seine ganz persönliche Glide-Ekstase zu erleben. Wenn Softtops von Firmen wie Catch Surf, INT oder der 88er Crew dir helfen, öfter ins Meer zu springen, dann lebe die Softtop-Revolution!


Aber Jack hat zum Schluss noch ein paar warnende Worte, denn wehe, du tauchst am Strand mit einem verhassten Wavestorm Board auf. „Die Dinger sind Massenware aus China“, versichert er mir. „Das 88er-Team, die Catch-Surf- und INT-Jungs, das sind alles Local Brands, die ihren Stränden und Spots treu bleiben. Wer mit einem Wavestorm rauspaddelt, verdient in unseren Augen keinen Respekt!”


„We would like to acknowledge and thank the traditional Aboriginal custodians of the land and waters of Australia and in particular Bundjalung Country where we live. People have been living in Australia for time immemorial and we want to thank them for looking after it.“ – Harry Henderson, Co-Founder 88